Professor Buxtorf

Professor Dr. theol. Johann Rudolf Buxtorf war ein gewaltiger Lehrer und eine Stütze der Univerität. Er beherrschte die hebräische und lateinische Sprache sowie das Alte Testament vollkommen. Als Lektor des Frey-Grynäischen Instituts bewohnte er den Sennenhof am Heuberg 33; anstelle eines Mietzines hatte er wöchentlich 2 Stunden über irgendein theologisches Fach zu dozieren. Den Sommer über bewohnte der liebenswürdige, überaus geduldige Professor das Landgut Bruckfeld bei Münchenstein, kam aber regelmässig zu Fuss in die Stadt, um seine Lektionen abzuhalten. In seiner Lebensführung war er äusserst massvoll. Er gönnte sich oft nur eine Suppe. Besuchte er einen befreundeten katholischen Pfarrer im Fricktal, dann nahm er als Proviant einzig ein so genanntes Kreuzweggli mit, das er beim ersten besten Dorfbrunnen aushöhlte und als Trinkgefäss benutzte. Seine Knauserigkeit aber war nicht mit Geiz gleichzusetzen, denn er war äusserst wohltätig. Armen Studenten gab er das Kolleggeld, das der Pedell eingezogen hatte, wieder zurück und beschenkte sie zudem noch mit Handbüchern "moralisch-erbauenden Inhalts".

Zur Konfirmation erhielten die Jünglinge für gewöhnlich einen Filzhut aus dem Laden des Hutmachers Jakob Büchi am Rheinsprung. Weil man dafür nicht zu viel Geld auslegen wollte, musste man sich mit einer billigen Qualität begnügen. Hielt man einen dieser geleimten Hüte beim Orgelspiel in der Hand, so fing dieser bei gewissen tiefen Basstönen zu vibrieren an. Magister Samuel Schneider erklärte dieses Phänomen mit der Akustik, einer Wissenschaft, die um 1802 vom Leipziger Ernst Friedrich Chladni erfunden worden war. Nach dessen Erkenntnis kam eine Glasscheibe, ein hartes Brettchen oder ein fest geleimter Pappdeckel durch Bestreichen mit einem Violinbogen in vibrierende Bewegung, worauf sich auf angestrichenen, mit Sand bestreuten Flächen so genannte Klangfiguren bildeten.

Niggi Münch und Bobbi Keller
Niggi Münch und Bobbi Keller in der Spalenvorstadt, festgehalten von Hieronymus Hess, 1831. Hinter Niggi Münch ist ein Stadttambour, der eine obrigkeitliche Verfügung vorliest.

Die beiden wohl bekanntesten Stadtoriginale des 19. Jahrhunderts werden meist in einem Atemzug genannt; der Basler Hisorienmaler und Karikaturist Hieronymuss Hess (1799-1850) hat das eigenartige Paar in den 1830er Jahren mehrfach abgebildet.

Niggi Münch (1775-1841) war der Sohn einer dicken, drolligen Witwe und der Sohn eines Schlossers. Sein jüngerer Bruder war im Gegensatz zu ihm vollkommen normal und avancierte später sogar zum Standesreiter. Wohnhaft war die kleine Familie am Spittelsprung. Nach dem Tod seiner Mutter kam Niggi Münch ins Spital, wo er als Strassenwischer nützliche Dienste leistete. Er war von harmlosem Gemüt, freundlich und lustig (was man von einem Original dieser Grössenordnung auch nicht anders erwarten kann); die Basler Buben konnten ihn leicht mit einem Halbbatzen, ein paar Äpfeln oder anderem Obst oder ein wenig Naschwerk in die beste Laune versetzen, was sich in übermütigen Sprüngen oder ungehemmtem Singen und Pfeifen äusserte. Nur ausnahmsweise war Niggi wild und tobend; in bitteren Zorn brachte ihn die Frage: „Niggi, sag’, was het das Bärner Maitli g’macht?“ Darauf folgten ganz wüste Beschimpfungen, wobei das Schönste war, was er in einem solchen Fall zur Antwort gab: „Ihr verfluechte Buebe, ihr Galgestrigg!“ Ernsthafte Rache zu nehmen verunmöglichte ihm jedoch seine körperliche Plumpheit sowie sein gutmütiger Charakter. Genau dieser Umstand war es wohl, warum ihn die Basler Buben auch öfter aufzogen; so kam es unter anderem zu folgendem alten Basler Kinderreim: „Der Niggi Münch im Spittel het Lys und Fleh im Kittel“.

Sein Kumpan Bobbi Keller (1771-1839) war, wie seine Schwester, ein armseliges, verkümmertes erwachsenes Kind des rechtschaffenen und körperlich und geistig völlig normalen Weissbäckers David Keller; mit seiner Familie wohnte er gegenüber dem ehemaligen Kornhaus.

Quelle: Meier 1970

Georg Heinrich Leicher-Heusler

Ein vielseitig beschäftigter Mann war Georg Heinrich Leicher-Heusler: er wirkte einerseits als Rechenlehrer und Organist und andererseits betrieb er einen Wollladen. Die Persönlichkeit Leichers aber war zu warmherzig und zu leutselig, als dass er auf die Dauer die Stelle des Lehrers der Industrie- oder Armenschule im Klingental hätte mit Erfolg versehen können. Ihm fehlte die Autorität, die Schar der 50 wilden, ungezogenen Buben und Mädchen aus der untersten Volksklasse unter straffer Disziplin zu halten. Allzuoft musste ein Klingentalarbeiter mit dem Munifisel für Ruhe und Ordnung sorgen.

Als Organist war Leicher ein erträglicher Choralspieler, aber seine extemporalen Prä- und Postludien und seine Zwischenspiele waren unter aller Kanone. Dafür gab er oft Anlass zu einem kleinen Spass. Um den schlechten Weinertrag der Jahre 1815-1817 auszugleichen, wurde vermehrt Obstwein produziert. Ein Spezialist in der Verwertung von Kernobst war Emanuel Weiss, der während seiner Lehrzeit als Nadler im thurgauischen Steckborn sich auch nützliche Kenntnisse in der Zubereitung von so genanntem Most angeeignet hatte. Leicher wollte nun den wohlschmeckenden Tischwein von Weiss kopieren und kaufte eine Menge edler und saftiger Birnensorten ein, wie Bergamotten und Moulliebusche. Aber statt eines vorzüglichen Getränks lieferten die teuren Birnen nur einen wässrigen, schwachen Saft, der keinen Gaumen reizen konnte.

Auch die körperliche Verfassung Leichers war mit einigen Unebenheiten gezeichnet. So waren seine Beine von den Knien an schief nach auswärts gekrümmt. Deswegen wurde Leicher, der in der Engros-Tuchhandlung Johann Rudolf Passavant im Burghof eine 3jährige Lehrzeit absolviert hatte, oft von seinen Kameraden verhöhnt. Er hatte beim Prinzipal Kost und Logis. Seine Mansarde aber war so klein, dass kein Schrank darin Platz fand. Einer seiner Freunde fragte ihn deshalb, ob er denn seine Strümpfe zum Schlafen jeweils ausziehen könne. Leicher gab zu, dass er dies im Winter nicht tun könne. Während des Sommers aber hatte er seine Strümpfe, da er stark an den Füssen schwitze, abgezogen und sie zum Trocknen über den runden Kofferdeckel gehängt. „Ach so“, gab sein Kollege zu bedenken, „beim Trocknen nahmen die Strümpfe die Form des Deckels an, und beim Tragen der deformierten Strümpfe richteten sich die Knochen danach. Deshalb deine unmöglichen Beine!“

Bernhard Meyer
Bauernschuhmacher Bernhard Meyer (1772-1826). Aquarell von Franz Feyerabend.

Mitten in der Gerbergasse wohnte Bernhard Meyer (1771-1826), ein Mann von langem Wuchs; er war sein Leben lang mit dem Übernamen „Bolli en-bas“ behaftet. Der Grund dafür war folgender: Als Kaiser Josef II. anno 1777 durch Basel reiste und im Hotel Drei Könige abstieg, ging auch Frau Meyer mit ihrem 6jährigen Sohn dahin, um mit gierigem Wunderfitz den Monarchen zu „bschaue“. Der Bube trug einen so genannten Bolli aus Tuch als Kopfbedeckung; er drängte sich so weit nach vorne, dass er dem Kaiser geradewegs über die Stiefel stolperte. Die Mutter ermahnte ihn sofort mit den Worten „Bolli en-bas“, sich bei Ihrer Hoheit gebührend zu entschuldigen. Seither war Meyer mit diesem Ausdruck gezeichnet und der Schmähruf blieb: „Bolli en-bas, die grosse Kuh, tritt dem Kaiser auf den Schuh!

Auch Meyers Mutter war von einer belustigenden Anekdote umworben: Bis um etwa 1805 war es Sitte, am Bettag gewissermassen nüchtern in die erste Predigt zu gehen. Frau Meyer hatte aber vor 8 Uhr nicht etwa nur ein bescheidenes „Morgedringge“ zu sich genommen, um es bis nach der Messe um 12 Uhr 30 auszuhalten, sondern futterte noch hastig ein Mehr darüber. In der Kirche wurde ihr dann aber so übel, dass sie der vor ihr sitzenden Dame Fragmente von Brot, Knackwurst und Rotwein an die Kleider „kerble“ musste.

Quelle: Meier 1970

Magister Kölner

Gymnasiallehrer Magister Heinrich Kölner war bei seinen Schülern sehr beliebt, weil einerseits sein Unterricht in Geographie und Geschichte anziehend und lehrreich war und weil er andererseits lieber durch freundliches Zurechtweisen als durch Dreinschlagen und Auf-die-Knie-Schicken bei seinen Schülern für Ordnung sorgte. Sonst aber führte er ein liederliches Privatleben, woran wohl auch seine Frau, eine geborene Rosenburger, viel Schuld trug, weil sie ihm keine Besonders gute Hausmutter war. Und Kölner sprach so immer mehr geistigen Getränken zu. Neben der Konsumation von Bier, Wein und Schnaps, von denen er unglaubliche Mengen vertragen konnte, widmete sich der gutmütige Schulmeister dem Spazieren. Besonders gerne nahm er den Weg nach Hüningen unter die Füsse.

So verfügte er sich auch nach dem 20. Dezember 1813 dort hinaus, obwohl jedermann den Durchmarsch der Österreicher und Bayern erwartete. Als Kölner wieder nach Hause gehen wollte, war das Tor der Festung bereits verriegelt, was den wanderlustigen Basler zum Bleiben zwang. Auf Gutsprache von oben wurden dann zwei Tage später das Tor für kurze Zeit geöffnet, damit Kölner wieder zu seiner Familie zurückkehren konnte.

Im nächsten Sommer spazierte Kölner mit einem hessischen Korporal, der bei ihm einquartiert war, wieder nach Hüningen. Nach ausgiebiger Zeche begehrte der Lehrer auf dem Paradeplatz von einigen Hüningern zu wissen, zu welcher Zeit denn das Tor geschlossen werde, er wolle nämlich nicht wieder eingesperrt werden. Die gekränkten Hüninger indessen hatten in Anwesenheit des Hessen und anderer verbündeter Soldaten die entsprechende Antwort auf die anzügliche Frage reaktionslos hinunterzuschlucken.

Magister Strübin

Von bohnenstangenförmig langem Wuchs war der Magister Johannes Strübin, der sich auch mit "Kandidat" anreden liess, obwohl er nie das dazu notwendige Examen abgelegt hatte.

d "Oggsefuessene"

Auch weibliche Originale gab es in der Stadt zu sehen. Eines von ihnen war die Witwe Ochs-Fuss, die so genannte „Oggsefuessene“. Das beleibte grosse Weibsbild war immer sauber, gepflegt und sorgfältig nach der alten Mode gekleidet, zu der auch eine aufgesteckte Haube gehörte. Sie war leich einfältig und daher von sich selbst eingenommen und zudem noch hypochondrisch. Trotz ihrer blühenden Erscheinung klagte sie ständig über Unwohlsein oder prophezeite den Beginn einer ernsten schweren Krankheit. Von ihrer Jammerei blieb auch und vor allem Professor Dr. Johann Jakob Stückelberger nicht verschont. Als er einmal über die Rheinbrücke eilte, begegnete ihm Frau Ochs, die ihn prompt auf offener Strasse um eine Konsultation bat. Unwillig wies der bekannte Arzt die neue Patientin an, sie solle die Augen schliessen, den Mund öffnen und die Zunge möglichst weit herausstrecken. Während die „Oggsefuessene“ tat, wie ihr befohlen, schlich Professor Stückelberger auf leisen Sohlen davon. Und die ältere Dame merkte den Streich erst, als die Umstehenden in schallendes Gelächter ausbrachen.

Quelle: Meier 1970

Originale

Die Basler Stadt-Originale

Viele Basler Originale sind schon längst verstorben oder verschollen. Einige davon hat der unübertreffliche Karikaturist Hieronymus Hess verewigt, wie zum Beispiel Niggi Münch oder Bobbi Keller. Auffallend ist, dass es noch in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrzehnten von originellen Personen in Basel wimmelte, während sich ein paar Jahrzehnte später nur noch sehr wenige finden liessen. Und das, obwohl die Bevölkerung innert weniger Jahrzehnte von 18'000 auf über 45'000 Einwohner angewachsen war.

In der heutigen Zeit, in der die Bevölkerungszahlen um ein Vielfaches grösser sind und in der dadurch zunehmend anonymer gelebt wird, verwundert es nicht, dass sich kaum mehr Stadtoriginale finden lassen.

Wachtmeister Wolleb
Wachtmeister Johann Jakob Wolleb (gest. 1818). Auf dem Kopf sitzt ihm ein schwarzer Zweimaster mit Kokarde und Federbusch in den Farben der Helvetik. Aquarellierte Federzeichnung von Franz Feyerabend.

Wachtmeister Johann Jakob Wolleb, ein weiteres Basler Original, bewohnte bis zu seinem Tod 1818 das Steinentor. Vorher hatte er bei den Schweizer Truppen in Frankreich gedient, so auch unter Fürst Franz von Soubise in der Schlacht von Rossbach in Thüringen gekämpft, die für die flüchtenden Nationalfranzosen ein schmähliches Ende nahm, den tapferen Schweizern aber die Bewunderung König Friedrichs II. einbrachte.

Torwächter Wolleb vermochte seinen Posten auch während der Helvetik zu halten, obwohl er nicht nach der Pfeife der Regierung tanzte: in dieser Zeit musste jeder Bürger die dreifarbige Kokarde der Helvetischen Republik (grün, rot, gelb) tragen. Weil Wolleb sich weigerte, diesem Erlass nachzukommen, wurde er aufgefordert, sich beim Regierungsstatthalter Lic. Johann Jakob Schmid zu melden. Diesen Befehl erfüllte er, indem er sich in papageigrünem Rock, roter Weste und gelbledernen Hosen bei seinem Vorgesetzten präsentierte und gleich die Frage stellte, ob er in diesem Aufzug in den helvetischen Farben als lebendige Kokarde gelten könne. Der Regierungsstatthalter schickte Wolleb mitsamt seiner Helvetik wieder nach Hause.

Quelle: Meier 1970