Ordnungsprinzipien der Basler Stadtanlage

 

Basel galt 1090 als eine volksreiche Stadt, und im 12. Jahrhundert muss die Bevölkerung erneut erheblich zugenommen haben. 1118 weihte Bischof Rudolf die von Diakon Ezelin ausserhalb der Stadt (!) auf dem Sporn eines Hügelzugs errichtete St. Leonhardskirche. Die Wahl dieses Orts ist sicherlich nicht ohne Vorbedacht erfolgt. Einmal stand zu erwarten, dass bei weiterem Wachstum der Stadt in erster Linie das Gebiet am Birsig oberhalb der heutigen Hutgasse beansprucht und infolgedessen in dieser Gegend eine Kirche benötigt werde. Sodann ist die Stelle, an der sich heute der Lohnhof befindet, seit langer Zeit schon bedeutungsvoll gewesen. Dafür sind verschiedene Anzeichen vorhanden. Bis in das 16. Jahrhundert hinein hat sich die Überlieferung von dem sagenhaften Schloss Wildeck erhalten. Dass am Ende des Sporn bereits Bauten standen, war wohl auch der Grund, weshalb die Kirche 1118 nicht dort errichtet wurde. In der Nähe musste sodann schon früh ein vielbegangener Weg vom Tal auf die Höhe und nach Westen in das Land hinaus geführt haben. Für die Existenz dieser Route und ihre Wichtigkeit zu einer Zeit, als sie noch ausserhalb der Stadt lag, liegen drei interessante Beweise vor: Das von den Augustinern vom Grossen St. Bernhard noch im 13. Jahrhundert unterhaltene Hospiz an der Ecke Heuberg-Leonhardsberg, die unterhalb des Hospizes am Leonhardsberg bis 1600 vorhandene, dem heiligen Oswald (dem Patron der Pilger und Reisenden) geweihte Kapelle, sodann am Fuss des Leonhardsberg das Spital.

Fixpunkte galten als städtebauliches Orientierungssystem

Auch an diesem Punkt wird die aus historischen Quellen erwachsene Vorstellung wiederum entscheidend ergänzt durch Untersuchungen über die konstruktiven Grundlagen des heutigen Stadtbilds. In der Stadtanlage von Basel sind neben den Ergebnissen der römischen Landvermessung noch andere Dispositionen überliefert, die schon in vorgeschichtlicher Zeit einsetzten und bis ins 12. Jahrhundert beibehalten und weiter entwickelt wurden. Diese nicht-römischen Bestandteile eines Ordnungssystems, auf welchem die in gewissem Sinn regelmässige Anlage der mittelalterlichen Stadt beruht, sind in einer Anzahl von Bauten überliefert, die als Fixpunkte gelten. Ihre Lage, Orientierung und Beziehung zueinander wird durch Richtungslinien (Nord-Süd, Ost-West) bestimmt. Das auf der Beobachtung der Gestirne und auf der Wertschätzung der vier Himmelsrichtungen beruhende System ist seiner Art nach uralt und verträgt sich gerade wegen seines vorwiegend symbolischen Gehaltes vorzüglich mit der mittelalterlichen Denkweise. Als sicher darf demnach gelten, dass jede Erweiterung der mittelalterlichen Stadt unter Berücksichtigung altüberlieferter Bräuche und Regeln erfolgte. Das erklärt auch wiederum etwas mehr den einheitlichen, organischen Charakter des ganzen alten Stadtbilds, dessen Teile sukzessive und aus typisch additivem Denken entstanden und aneinander gereiht worden sind. Dieses allmähliche Entstehen vollzieht sich nach einer besonderen Ordnung, die mit dem nach heutigen Begriffen planmässigen Vorgehen kaum etwas gemeinsam hat. Denn nicht die endgültige Gestalt des Ganzen steht zu Beginn der Planung schon fest, sondern der nächste Teil wird für sich konzipiert, so dass er sich den älteren natürlich anschliesst.

Blau eingefärbt sind die kirchlichen Bauten der mittelalterlichen Stadt; gut erkennbar sind hierbei die Vielzahl und Dichte dieser Bauten, was deutlich macht, weshalb aus jedem Strassenzug ein Kirchturm im Blickfeld lag. Die rote Linie verdeutlicht den Blick vom St. Johanntor auf den Fixpunkt Martinskirche.

Ein Beispiel? Die unter sich und in ihrer Stellung zur mittelalterlichen Stadt regelmässig angeordneten vier Kirchen auf den beiden Hügelzügen, das Münster, St. Martin, St. Peter und St. Leonhard, sind sukzessive und unter sehr verschiedenen Voraussetzungen entstanden, teilweise an Stelle früherer nicht-christlicher Kultstätten. Also nicht nach einem ursprünglichen, die spätere Entwicklung vorausschauenden Plan, sondern aus der jeweiligen, durch alte Bräuche bestimmten Auswertung der Verhältnisse, mit dem Willen, das Neue dem Bestehenden als vollgültiges Glied anzufügen. Auch die Fixierung der wichtigen Punkte erfolgte nicht durch systematische Bodenvermessung wie bei den Römern, sondern wohl lediglich mit Hilfe von Sichtverbindungen. Die Ordnungsprinzipien sind somit aus der unmittelbaren Anschauung abgeleitet, und das mit ihrer Hilfe errichtete Werk entfaltet seine Eigenart in den vielfältigen, mitunter erstaunlich ausgeklügelten, sichtbaren Beziehungen seiner Teile untereinander.

Dieses System umfasst in erster Linie die kirchlichen Bauten, erstreckt sich aber auch auf profane Gebäude. Vor allem die Gotteshäuser sind stets, durch Richtungslinien mit den überlieferten Fixpunkten in einfachen Rechtecken verbunden, dort errichtet worden, wo sie im gesamten Stadtbild oder doch wenigstens in den benachbarten Stadtteilen am meisten in Erscheinung treten und auf diese Weise als Dominanten ihre symbolische Bedeutung für die städtische Gemeinschaft eindrücklich bekunden. Es zeigt sich, wie einst aus allen Strassen und Gassen und von den Plätzen her stets ein Kirchenbau das Blickfeld beherrschte (was in der heutigen Situation mit dichterer Besiedlung und höherer Bauweise nicht mehr der Fall ist). Das abstrakt-gesetzliche, ursprünglich gewiss kultisch motivierte Schema der Richtungslinien fand damit eine vor allem sinnfällige Ergänzung. Noch ein verhältnismässig spät entstandenes Beispiel, nämlich der Wehrbau des St. Johann-Tores aus dem späten 14. Jahrhundert, ist auf diese Weise in die kunstvoll angeordnete Gesamtanlage der Stadt einbezogen worden. Wer stadteinwärts und genau in der Achse durch die Toröffnung blickt, erkennt noch heute den Turn der Martinskirche als Dominante am Horizont. Derartige reizvolle Überraschungen bieten sich dem Beobachter noch in vielen Fällen. Sie beruhen nicht auf Zufall, sondern auf der mittelalterlichen Vorliebe für die minutiöse Verfeinerung im Ausdruck symbolischer Vorstellungen. Sie sind eigentlich alle unaufdringlich und ungezwungen, wie im Spiel erfunden und festgehalten.

Diese Absicht blieb nicht auf die Hauptzüge beschränkt, sie bestimmte vielmehr den Charakter der ganzen städtischen Bebauung bis ins Einzelne, bis in den Verlauf und die Gliederung der Strassen. Selbst die einzelnen Bauten wurden so in das Strassenbild eingefügt, dass eine in sich geschlossene und sinnfällig unterteilte Einheit entstand. Dabei ist festzuhalten, dass der mittelalterliche Mensch von Natur aus sein Denken und Handeln auf das Einzelne richtete, das Ganze aus Stücken zusammenfügte, die verbindende Form sukzessive bildete und die übergeordnete Einheit gleichsam wachsen liess. Die an jeder Parzellengrenze geknickte Strassenflucht, die gesonderte Bemessung der Höhe jedes einzelnen Hauses und die gegenüber den Nachbarbauten andere Dachneigung, die unterschiedliche Anordnung der Fenster in jedem Geschoss, in allem und jedem bekundet sich das mittelalterliche Interesse für das einzelne Ding, die Freude am Kleinteiligen und an der mannigfaltigen Vielheit, die Lust am freien Spiel der Phantasie.

Über die Breite und Verläufe der Gassen

Die Breite der Gassen wie überhaupt die Abgrenzung der Allmend war von jeher geregelt. Im Mittelalter nicht durch zusammenhängende systematische Vermessung wie in römischer Zeit und heute, aber dennoch durch praktisch wirksame Massnahmen, von denen das sogenannte "Stangenrecht" eine ungefähre Vorstellung vermittelt: Von Zeit zu Zeit ritt ein Beamter durch die Stadt, hielt waagrecht in seinen Armen eine Stange und hatte das Recht, alle Vorbauten und sonstigen Beengungen der Strassen beseitigen zu lassen. Für die Bebauung längs der Strassen und Gassen war demnach ursprünglich ein Minimalabstand von einer Stangenlänge bestimmt worden. Über die durchschnittliche Strassenbreite im alten Basel bietet eine Notiz in den Aufzeichnungen von Bürgermeister Adelberg Meyer anlässlich einer militärischen Musterung 1540 ein anschauliches Bild: Bei der Erstellung der Zugsordnung kamen je sieben Mann in ein Glied, für mehr war in den Gassen nicht Platz. In anderen Berichten wird sogar nur von fünf Mann gesprochen.

Die weiteren Eigentümlichkeiten der alten Gassen, ihr Auf und Ab in gewundenem Verlauf und ihre vielfach geknickten Fassadenfluchten sind aus der naturnahen, landschaftsgebundenen Form der mittelalterlichen Stadt und aus der brauchmässigen Baugesinnung erwachsen - es wurde dort gebaut und gepflastert, wo es nötig erschien. Die Gassen gleichen dabei den Feldwegen. Richtung und Niveau sind dem Boden angeschmiegt, folgen den Hebungen und Senkungen, den Hügeln und Talbildungen.

Über die Parzellierung Basels

Die Parzellierung passt sich dem natürlich gegebenen Verlauf an. Ihre Markierung gegen die Strasse bleibt in der geradlinig ausgesonderten Flucht jeder Fassade gewahrt. Dieses Merkmal findet sich regelmässig, sogar in Gassen mit deutlich geradem Verlauf. Auch dort wird die Parzelle durch leicht geknickte Anschlüsse von den benachbarten abgetrennt. Im Hinterland ist in der Regel ihre Form ebenfalls dem Gelände angepasst. Als Ganzes resultiert daraus die ungemein reich unterteilte Gesamterscheinung der Bauten. Der italienische Baumeister der Renaissance, Leon Battista Alberti, hat diese Mannigfaltigkeit zur Nachahmung empfohlen. Aus ästehtischen und praktischen Gründen verdiene die Schlangenwindung der Strassen den Vorzug. Die Stadt werde grösser scheinen, die Häuser sich allmählich und abwechselnd dem Auge darbieten, der Schatten nie ganz fehlen, der Wind gehorchen, die Verteidigung gegen Feinde leichter sein.

Der Löffelplan (1857-59) zeigt noch ganz deutlich die ursprüngliche schmale Riemenparzellierung. Unterschiede in der Grösse und Form der Parzellen rühren von Erbteilung her, aber auch von Stadtkorrektionen nach Bränden oder Überschwemmungen.

Aus der Art der Parzellierung sind weitere Aufschlüsse über das Wachstum des Quartiers zu gewinnen. Dank dem von Karl Stehlin in beharrlicher Arbeit angelegten Historischen Grundbuch, das vorwiegend eine Sammlung der urkundlich überlieferten Rechtsgeschäfte über jede Liegenschaft enthält, ist es möglich, in Basel die bauliche Entwicklung der Stadt verhältnismässig weit bis in die Einzelheiten zu verfolgen. Darin lässt sich herausfinden, dass die Erhaltung der ursprünglichen Parzellierung bis in das 19. Jahrhundert als Regel angenommen werden darf. Der Löffelplan (1857-59) kann daher als Grundlage für die weiteren Untersuchungen verwendet werden. Noch ist unklar, wann neben den im Martinszins vorgesehenen Grundtypen der ganzen und halben Hofstatt von 40 und 20 Fuss "Weite" die schmäleren Riemenparzellen treten. Die Neuerung muss schon früh, bereits in der Burchard'schen Stadt, eingeführt worden sein, vorerst wohl für die Aufteilung bisheriger Freiflächen und dann auch in den Stadtquartieren selbst. Aus der späteren Gebührenordnung ist lediglich zu erkennen, dass an Stelle der ursprünglich allein auf die Grösse der Hofstätten abgestuften Ansätze in der Folge eine Regelung trat, die grundsätzlich jedes Haus mit einer jährlichen Abgabe von "2 Stebler oder 1 Rappen" belastete, Höfe, Wirtshäuser, Kochhäuser, Badstuben dagegen mit 4 Stebler und ausserdem zwischen Gremperläden und verliehenen Läden unterschied. Selbstverständlich sind auch die durch mittelalterliche Stadtkorrektionen (meist nach Bränden und Überschwemmungen) und durch Neubauten seit dem 16. Jahrhundert eingetretenen partiellen Änderungen zu berücksichtigen. Diese sind übrigens leicht erkennbar an der abweichenden Form und Grösse der Parzellen. Wo nachträgliche Vereinigungen oder Trennungen von Liegenschaften erfolgten, sind sie überdies bei erhaltenen Gebäuden aus dem baulichen Befund ersichtlich. Auch die für Basel charakteristische kleinteilige Parzellierung ist somit ursprünglich. Zerstückelung von Grundstücken kommt selten vor und ist ebenfalls ohne Schwierigkeiten festzustellen.

Von der Parzellenform ist sodann die Art der Bebauung abhängig. Diese hat allgemein eine allmähliche Veränderung erfahren. Spätere Neubauten sind in der Regel ledigliche Auswechslungen des Baukörpers, wobei vom alten Bau nach Möglichkeit alle brauchbaren Teile, vor allem Scheid- und Fassadenmauern, weiter verwendet wurden und ausserdem die brauchmässigen und die verbrieften Nachbarrechte respektiert werden mussten. Bei dieser gewissermassen organischen Erneuerung sind die in der ursprünglichen dorfähnlichen Gemeinschaft vorherrschenden reinen Holzbauten sukzessive durch die feuerfesteren Fachwerkhäuser und steinernen Gebäude ersetzt, die Haustiefe vergrössert und die Geschosszahl erhöht worden. Die darin zum Ausdruck gelangende langsame Ausbildung der städtischen Bauweise erwächst aus der praktischen Erfahrung, aus den Lehren der Stadtbrände und Überschwemmungen, aus den komplizierten baurechtlichen Verhältnissen infolge der höheren Wohndichte. Dieser Prozess hat im Wesentlichen im 15. Jahrhundert seinen Abschluss gefunden, und was heute noch von der alten Stadt besteht, ist in baulicher Hinsicht in den ältesten Partien der Überrest des damaligen Zustandes. Es zeigt das typische Gepräge der mittelalterlichen Kleinstadt.

Schlussfolgerungen

Das Ganze bildet ein für heutige Begriffe reiches Kunstwerk, ebenso sicher und sorgsam im Aufbau der Formen wie in der Ausnützung der manngifaltigen Bodenverhältnisse. Ein Kunstwerk im umfassenden Sinn des Wortes. Denn der ästhetische Gehalt allein spielt wohl in der heutigen Betrachtungsweise eine wichtige Rolle; er ist indessen im Mittelalter nicht als Eigenwert bewusst geformt worden, und noch weniger ist er beim Ausbau einer Siedlung im Vordergrund gestanden. Der Ausdruck rechtfertigt sich vielmehr im Hinblick auf die in der mittelalterlichen Stadtanlage erreichte sinnvoll ausgeglichene Berücksichtigung der vielen verschiedenartigen Bedürfnisse, die aus dem dicht gedrängten Zusammenleben einer grossen Zahl von Menschen, aus Klima, Lage und Wirtschaft resultieren und von einem Denken erfasst und gelöst werden mussten, das selbst erst aus seinen verschiedenen Ursprügen die eigene Richtung finden und das homogene Gepräge erlangen musste. Denn wenn auch das Alter der Stadt und ihre kontinuierliche Entwicklung seit der römischen Zeit das Bestehen eines städtischen Denkens wahrscheinlich machen, so war dieses Denken eben doch durch mancherlei historische Ereignisse entscheidend verändert worden. Ebenso wie die damalige Stadt äusserlich in manchen Zügen gleichzeitig an ein Dorf erinnert, so war sie auch in ihrer geistigen Verfassung ein bunt zusammengesetztes Wesen. Aus dem Sippenbewusstsein in dörflichen Bräuchen enthaltene und von den Zugewanderten in die Stadt verpflanzte Geohnheiten mussten in Einklang gebracht werden mit den wichtigsten aktuellen Erfordernissen für den ausreichenden Schutz von Leben und Gut und für die Förderung der wirtschaftlichen Interessengemeinschaft. Und alle diese divergierenden Wünsche hatte schliesslich der Bischof als Stadtherr im Verein mit seinen eigenen politischen Absichten, repräsentativen Bedürfnissen und Verwaltungspflichten zu berücksichtigen.

Das Kulturzentrum

Im Vordergrund das alte Stadtcasino (1938 abgebrochen), anschliessend der grosse Musiksaal von 1876.
Bild: © Staatsarchiv Basel-Stadt, AL 45, 4-73-1
Quelle: Staatsarchiv Basel-Stadt

Die bedeutendste bauliche Umgestaltung des 19. Jahrhunderts innerhalb der Stadtmauern Basels war die Neuüberbauung des Steinenbergs. Die Stadt hatte hier noch in den Arealen des ehemaligen Steinen- und Barfüsserklosters Landreserven aus dem Spätmittelalter. Noch bis 1821 zogen sich der stadtwärts gelegenen Seite des Steinenbergs entlang Graben und Stadtmauer aus dem 12. Jahrhunderts. Der erste Neubau war das 1824 vom jungen Architekten Weinbrennerschüler Melchior Berri erbaute Casino. Dieser musste leider 1938 dem jetzigen Bau weichen. Berri, der heute als bedeutendster Vertreter des Klassizismus in der Schweiz gilt, wurde an der Eröffnungsfeier seines Baus mit keinem Wort erwähnt. Zwischen 1829 und 1831 erbaute Berri an der Theaterstrasse auf dem Areal des ehemaligen Steinenklosters und der späteren Blömlikaserne der Stänzler das Blömleintheater. Aus Pietätsgründen bezog es 1876 Johann Jakob Stehlin d.J. teilweise in seinen Neubau der Steinenschule ein. 1840/42 wurde als oberer Abschluss des Steinenbergs am Eingang in die Freie Strasse von Johann Jakob d.Ä. der imposante Schilthof als Wohnhaus erbaut. Die originelle Ecklösung mit dem urnenbekrönten, von Halbsäulen gegliederten Rundbau hat ihr Vorbild im Schloss Wilhelmshöhe bei Kassel. 1872 wurde als erster Neubau auf der Gegenseite im Auftrag des Basler Kunstvereins auf Land, das der Staat zur Verfügung gestellt hatte, von Johann Jakob Stehlin d.J. die Kunsthalle in klassizistischem Neobarock erstellt. Der fensterlose Oberlichtsaal wird heute noch gerne wegen seiner hervorragenden Belichtung für Ausstellungen benützt. Als beliebter Treffpunkt gilt das in den Gasträumen zum Glück nicht modernisierte, wegen seiner Proportion "Schluuch" genannte Restaurant. 1887 wurde die Kunsthalle erweitert und so die Schaffung eines dreiseitig umschlossenen Gartens ermöglicht.

Altes Stadttheater
Das alte Stadttheater von Melchior Berri von 1829 auf dem Grund des ehemaligen Steinenklosters.
Bild: © Staatsarchiv Basel-Stadt, NEG 2066
Quelle: Staatsarchiv Basel-Stadt
Altes Stadttheater
Das Stadttheater an der Ecke Steinenberg/Theaterstrasse. Links oberhalb die vorher erbaute Kunsthalle; man sieht das geschlossene Strassenbild des Steinenbergs zu der Zeit.
Bild: © Staatsarchiv Basel-Stadt, AL 45, 2-69-1
Quelle: Staatsarchiv Basel-Stadt

Nach zweiundvierzigjährigem Betrieb genügte das von Berri erbaute Theater den Anforderungen der Zeit nicht mehr. Mit dem Neubau wurde Johann Jakob Stehlin d.J. beauftragt. 1875 war der für das damalige Basel gewaltige neobarocke Bau vollendet. Doch schon 1904 wurde dieser durch einen Grossbrand bis auf die Aussenmauern zerstört. Den genauen Wiederaufbau leitete Fritz Stehlin, ein Neffe des Erbauers. Der Abbruch des Baus in den 1970er Jahren war deshalb schmerzlich, weil dadurch die grossartige architektonische Geschlossenheit des Steinenbergs unwiderbringlich verlorenging. Nicht das gleiche Schicksal erlitt hingegen der schräg gegenüber 1876 ebenfalls von Johann Jakob Stehlin d.J. in neubarockem Stil erbaute Musiksaal. Stehlin nahm sowohl in der Gestaltung des Verbindungstrakts als auch beim Musiksaal selber Rücksicht auf das anstossende Casino von Berri. Die Raummasse des Saals entsprechen dem Goldenen Schnitt. Seine Akustik gilt als sehr gut.

Dem uneingeweihten Betrachter verraten all diese Bauten kaum ihre gemeinsame architektonische Abstammung. Das Thema des Neobarocks, teilweise klassizistischer Richtung, wird in Variationen vorgetragen. Die und die freie, gar nicht barocke Anordnung der Bauten machen die gediegene städtebaliche Wirkung des Kulturzentrums aus.

Zeittafel

Um 1800 bot Basel nach aussen wie im Innern im Wesentlichen noch das Bild, das Matthäus Merian d.Ä. überliefert hat. Stadtmauern und Tore wurden erst und hauptsächlich durch die Eisenbahn zu Fall gebracht; die Umgestaltung und die Korrektion der inneren Stadt ist durch höhere Verkehrsbelastung nötig gewordene Neubauten, durch die Zunahme der Bevölkerung sowie durch sanitäre Massnahmen als Folge von Epidemien veranlasst worden. Ratsherr Karl Sarasin hat zusammen mit J.J. Stehlin d.J. zielbewusst und weitblickend die neuzeitliche Umgestaltung der damals noch mauerumschlossenen Stadt durchgesetzt. Weil dabei oft rücksichtslos gegen Besitzer, Bauherren und Baumeister vorgegangen werden musste, erfand der Volkswitz den Reim: "Behüt' und Herr in gnäd'gem Sinn, vor Stehlin und vor Sarasin".

Im Folgenden eine chronologische Auflistung (nach: C.H. Baer, 1931: 169-173) der grossen Veränderungen seit 1800. Die Links führen jeweils zum entsprechenden Beitrag.

  • 1805 im August erfolgt die Strassenkorrektion zu St. Johann, der die Kirchhofmauern bei der Predigerkirche mit dem Grossbasler Totentanz geopfert werden.
  • 1806 wird der Thomasturm abgetragen.
  • 1821 werden der Eselsturm und der Wasserturm mit Nebengebäuden niedergerissen.
  • 1838 wird der Spalenschwibbogen abgerissen.
  • 1839 - 1840 wird das Rheintor abgebrochen mit den anstossenden Gebäulichkeiten, dem sogenannten Neubau und der Schiffsleutenzunft. Die Eisengasse wird erweitert, die hölzernen Verkaufsbuden auf der Rheinbrücke verschwinden.
  • 1841 wird der Aeschenschwibbogen mit der angebauten Staatsschreiberwohnung niedergerissen. Damit ist die innere Stadt nach Kleinbasel und den grösseren Vorstädten hin geöffnet.
  • 1840 - 1847 soll der neue Bahnhof von den Befestigunganlagen umfasst werden. Das entscheidet eine besondere Eisenbahnkommission. Infolgedessen werden vom Hohen Wall (heute Bernoullianum) bis zum St. Johanntor neue Befestigungsmauern angelegt. Am 11. Dezember 1845 wird der Bahnhof dem Verkehr übergeben, und 1847 werden die neuen Befestigungen behördlich genehmigt.
  • 1851 werden zur Erweiterung des Zollbezirks auf dem Lysbüchel, bei Burgfelden, beim Horn und bei der Wiesenbrücke neue Zollhäuser erbaut, bei denen der bisher an den Toren und im Kaufhaus erhobene Zoll eringezogen wird.
  • 1851 - 1852 wird eine Korrektion der St. Albanvorstadt beim ehemaligen Brigittator durchgeführt und 1853 die untere Freie Strasse erweitert.
  • 1854 - 1857
  • 1855 - 1856 wird infolge der Cholera-Epidemie eine 'Kommission zur Prüfung und Begutachtung der Vorschläge des Generalberichts für Hebung bestehender Übelstände' und ein 'Sanitätsausschuss' gebildet. Von da an beginnt die allmähliche Sanierung der Stadt.
  • 1856 werden die Torsperren aufgehoben, 'in Betracht der stets wachsenden Bevölkerung vor den Toren und des gesteigerten Verkehrs zwischen dem Inneren der Stadt und dem Stadtbann'.
  • 1858 werden infolge der Bahnhofbauten der Stadtgraben zwischen Aeschen- und Steinentor aufgefüllt und das Aeschenbollwerk beseitigt. Auch am Ausgang der heutigen Leonhardsstrasse wird die Stadtmauer durchbrochen und der Graben überbrückt. Ausserdem finden Korrektionen hinter der Rümelinsmühle und an der Küttelgasse, dem heutigen Münzgässlein, statt. Im gleichen Jahr wird in Kleinbasel das Obere Rheintor abgerissen.
  • 1859 am 27. Juni wird das 'Gesetz über die Erweiterung der Stadt' erlassen, dessen §4 lautet: 'Zur Herstellung angemessener Verbindungen zwischen den äusseren neuen Quartieren und der inneren Stadt durch Strassen und öffentliche Plätze ist der Kleine Rat ermächtigt, da, wo es das Bedürfnis erheischt und die Verhältnisse es passend erscheinen lassen, die Stadtgräben je nach seinem... Ausdrücklich davon ausgenommen sind: die neuen Befestigungen beim französischen Bahnhof, der Hohe Wall, die Bastionen zu St. Leonhard und bei St. Elisabethen sowie die St. Albanschanze. Damit ist die Möglichkeit geschaffen, die Stadt nach allen Richtungen zu erweitern und den Gürtel von Mauern, Gräben, Schanzen und Bastionen durch die Parkanlagen zu ersetzen, die für alle Zeiten eine Zierde der Stadt Basel sind.
  • 1859 wird die Güterstrasse angelegt und das Nauengässchen verbreitert; die 'Klara-Barrière' wird beseitigt und die Stadtmauer hinter dem Klarahof abgetragen.
  • 1859 - 1860 erfolgen die Korrektionen der Elisabethenvorstadt und des Klosterbergs, der Münchensteinerstrasse, des Klingelbergs und der Mittleren Strasse.
  • 1960 am 15. Juni wird die Verbindungsbahn dem Verkehr übergeben. Der Bahnhof zu St. Johann wird aufgehoben und die Endstation der Strassburger Bahn in den neuen Centralbahnhof verlegt.
  • 1861 fällt das Aeschen- und das Leimentor sowie die Mauern bei St. Alban.
  • 1863 am 2. November beschliesst der Grosse Rat über die Beteiligungspflicht der Anwänder an der Beseitigung der Stadtmaurn in der Kleinen Stadt.
  • 1864 wird das Riehentor abgebrochen sowie die Mauer zwischen Rhein und Bläsitor.
  • 1865 - 1866 werden die Mauern beim Einfluss des Birsig in die Stadt geschleift.
  • 1866 im Sommer schafft Hofgartendirektor C. von Effner aus München, den Ratsherr Karl Sarasin berufen hat, die grundlegenden Pläne für eine allmähliche Umgestaltung der Gräben und Wälle in öffentliche Promenaden und Parkanlagen.
  • 1866 - 1867 werden das Steinentor und das Bläsitor im Kleinbasel mit den anstossenden Werken abgebrochen.
  • 1867 - 1869 wird der Stadtgraben beim Petersplatz ausgefüllt und das Fröschenbollwerk wird abgetragen.
  • 1869 wird die St. Albanschanze, von der ein Teil bereits 1864 abgetragen worden ist, zur Parkanlage umgestaltet. Im Dezember des nächsten Jahres wird die Korrektion der Umgebung des St. Albantores beschlossen.
  • 1869 - 1875 fällt der Hohe Wall.
  • 1873 wird der St. Johannsschwibbogen abgerissen.
  • 1874 - 1877 wird die Petersschanze und die Schanze beim St. Johanntor abgetragen.
  • 1877 fällt der Isteinerturm in Kleinbasel.
  • 1878 fällt der St. Albanschwibbogen.
  • 1890 im April werden die Häuser an der Nordseite des Marktplatzes bis zur Stadthausgasse (zwischen School und Brotlaube) abgebrochen. Die Sporengasse geht dadurch völlig verloren.
Das Quartier um St. Peter

Das Quartier um St. Peter ist sinnvol geordnet und zu einem einheitlichen Ganzen geworden. Sein Alter ist aber weniger deutlich abzulesen. Zunächst fehlen sichere Anhaltspunkte über die Gründung der Peterskirche. Sie bestand vermutlich schon längere Zeit, bevor um 1200 die innere Stadtbefestigung am heutigen Petersgraben errichtet wurde.

Die Parzellen und Baugevierte

Der Talhang hinter der Spiegel-, Stadthaus- und Schneidergasse ist somit schon früh ins Stadtgebiet einbezogen worden, ebenso scheint die einheitliche Überbauung des Geländes auf dem anschliessenden Plateau jener auf dem Heuberg zeitlich voranzugehen. Die Entwicklung geschah indessen unter anderen Verhältnissen. St. Peter ist bei seiner Gründung nicht wie St. Leonhard mit grossem Grundbesitz in der Nähe ausgestattet worden. Der Boden zu seinen Füssen im Tal war bereits städtisch überbaut, das übrige Land in verschiedenem Besitz. St. Peter bildete also nicht die Veranlassung für eine einheitliche Parzellierung des Geländes, die Kirche entstand vielmehr erst, nachdem die Aufteilung im Gange oder gar zur Hauptsache schon abgeschlossen war. Diese Annahme wird durch die Eigenart der Parzellierung bestätigt. Denn nach der Art der Parzellenbildung zerfällt das Gebiet der Pfarrei St. Peter in deutlich verschiedene Abschnitte. Die Ursache hierfür wird ebenso in soziologischen Gründen zu suchen sein wie darin, dass einzelne Abschnitte zeitlich aufeinanderfolgenden Etappen angehören.

Die ursprünglichen Verhältnisse im ältesten Stadtteil zwischen Schifflände und Fischmarkt sind aus der überlieferten Struktur kaum noch erkennbar. Gesichert sind lediglich durch Grabungen die sehr kleinen Grundstücke des früher erwähnten Handwerkerquartiers am Fuss des Petersbergs. Hier hat aber die von der spätgallischen bis in die frühmittelalterliche Zeit kontinuierliche Besiedlung etwa vom 11. bis ins 14. Jahrhundert eine völlige Veränderung erfahren. Offenbar aufgehalten durch die Burchard'sche Mauer, wurde der Hang, in welchen heute der Spiegelhof hineingebaut ist, erst zu Beginn des 14. Jahrhunderts durch die Anlage des nachmaligen Petersbergs als Verbindung mit der bereits ausgebauten Petersgasse wiederum erschlossen: 1321 wird ein Haus daselbst beschrieben als "sita in vico dicto die nüwe gasse olim dicto vulgariter bi dem vinstern svibogen". Auf die spätmittelalterlichen Änderungen am Fischmarkt und am Anfang der Kronengasse sei vorerst nur verwiesen.

Ausschnitt aus dem Löffelplan: Das Quartier um St. Peter zwischen Rhein, Petersgraben, Spalenberg, Schneidergasse, Stadthausgasse und Schwanengasse. Gut erkennbar sind die unterschiedlichen Parzellengrössen.

Ausser diesen Einschränkungen ist ausserhalb des ältesten Stadtgebiets der nach Parzellentypen geschiedene Aufbau der einzelnen Geviere noch weitgehend im Löffelplan überliefert: Als erster Typus die Baugevierte mit den schmalen und tiefen, später nahezu ganz überbauten Parzellen im Gebiet zwischen Stadthausgasse und heutiger Marktgasse und unterhalb des Fischmarkts zwischen der ehemaligen Schwanengasse, dem Petersberg und der Spiegelgasse. Diese sind in der weitgehenden baulichen Ausnützung verwandt mit den breiten Parzellen um den Fischmarkt, am Blumenplatz und im Geviert zwischen Kronengässlein und Eisengasse, deren abweichende Form - soweit sie nicht bereits durch mittelalterliche Stadtkorrektionen verändert worden ist - auf eine ursprünglich andere bauliche Nutzung mit Höfen schliessen lässt.

Ein weiterer Typus, breite, nur teilweise überbaute Parzellen mit weiten Höfen kennzeichnete das Geviert zwischen Spiegel- und Petersgasse. Damit verwandt, natürlich unter teilweise sehr sparsamer Nutzung des besonders begehrten Bodens, sind die tiefen Grundstücke der dritten Gattung an der Schneidegasse und am unteren Spalenberg; ihr Hinterland bot Platz für Nebengebäude und Höfe.

Wiederum ein anderes Gepräge zeigt der Stadtteil auf dem Nadelberg, als Quartieranlage jener auf dem Heuberg ähnlich. Hier wie dort wurde ein nahe am Plateaurand entlang führender Weg zur Erschliessungsstrasse für den beidseitigen Boden. Ebenso scheint auch hier oben die Besiedlung zuerst an den beiden Enden mit den schmalen Handwerkerliegenschaften eingesetzt zu haben, dort, wo am Blumenrain und Spalenberg sich bereits Vorstädte gebildet hatten und die Möglichkeit bestand, von den Vorteilen der städtischen Verkehrswege zu profitieren. Dazwischen liegen grabenwärts die grossen Parzellen, nach Zahl und Ausmass bedeutender als am Heuberg, mitsamt der überlieferten Baustruktur das ursprüngliche vornehme Wohnquartier kennzeichnend.

Die Aufstiege

Die Bodenverhältnisse gestatteten die Anlage bequemer Aufstiege vom Tal auf die Höhe. Am Petersberg in gegabeltem Anschluss an Spiegelgasse und Fischmarkt (in moderner Form erhalten in der Treppenanlage, die mitten im Spiegelhof zur Peters- und Herbergsgasse führt). Sodann vom Fischmarkt eine schmale Gasse und Treppe neben der "Trinkstube zum Brunnen" (auf dem Areal der heutigen ÖKK) und am "Ringelhof" vorbei zur Petersgasse. Der obere, später wegen des notorischen Unrats "Pomeranzgässlein" genannte Teil ist noch erhalten und hinter dem Gitter oberhalb des "Ringelhofes" sichtbar. Vom Fischmarkt führt ausserdem als direkte Verbindung das Kellergässlein zur Peterskirche. Talaufwärts folgen in grösseren Abständen das Toten- und das Imbergässlein. Diese fünf Aufstiege dienten gleichzeitig auch der baulichen Erschliessung des Hanggebietes zwischen den hinteren Talgassen und der oberen Längsverbindung Petersgasse-Nadelberg. Gegen die Stadtmauer zu wurde das Gebiet einzig durch die Peterskirche und Rosshofgasse unterteilt.

Der Quartiercharakter

Als Ganzes betrachtet ist die Umgebung von St. Peter ein sukzessive zusammengefügtes Stadtgebiet, bei dessen Entstehung aber wie schon erwähnt einheitliche Massnahmen einer einzigen Grundherrschaft kaum, oder jedenfalls nicht wie bei St. Leonhard mitgewirkt haben. Dennoch ist aus den verschiedenen Teilen eine geordnete Anlage entstanden, von erstaunlich regelmässigem Wuchs. Deutlich bestimmt im Ganzen und charakteristisch geformt im Einzelnen durch die Anpassung an das Gelände und die Rücksichtnahme auf die besonderen Bedürfnisse der Bewohner. Keinerlei schriftliche Überlieferung verrät, ob und wie weit disponierende Absichten oder gar eigentliche Beschlüsse die bauliche Entwicklung in diese Bahnen gelenkt haben. Jedenfalls ist aber dieses Wachstum als konsequente stufenweise Weiterbildung einer organischen Einheit zu einem ebenso organischen grösseren Verband zu verstehen. Nicht übersehen werden darf die darin waltende Ökonomie im Ausgleich der besonderen und der allgemeinen Interessen, die Rücksichtnahme auf die Notwendigkeiten der Handwerke, der städtischen Behausungen, des internen Verkehrs, der gemeinsamen Versorgung, der Sicherheit im Inneren und des Schutzes nach aussen. Mögen Zufall und freies Gewährenlassen da und dort zu einer eigentümlichen Lösung geführt haben - sie spielen auch im heutigen, sehr weitgehend gesetzlich geregelten Bauwesen eine nicht unwichtige Rolle - so bekundet sich doch im Übrigen ein ordnender Wille, die Fähigkeit grössere Zusammenhänge zu überblicken, eine Summe von Erfahrungen, die eben daran erinnern, dass dieses Stück Basel im Zeitalter der Stadtgründungen gewachsen ist, und dass bei seinen Unternehmungen die neuerdings üblichen Gepflogenheiten der einheitlichen Disposition und der Ordnung in grösseren Verbänden von Fall zu Fall angewendet worden sind, jeweils den örtlichen Verhältnissen und den besonderen Aufgaben angepasst. Vielleicht mehr als Ergebnis weiter entwickelter brauchmässiger Baugesinnung, die fortan neben der Formung der Bauten und ihrer Gruppierung im Kleinen auch mit Vorbedacht den Sinn der grösseren Einheit des Quartiers umfasste, mehr aus instinktivem Finden des Gemässen und weniger aus bewusstem Denken und logischem Planen im heutigen Sinn.

Spuren der damaligen städtischen Ordnung, die auch für die bauliche Struktur aufschlussreich sind, ergeben sich aus der Topographie und der Geschichte der Gewerbe. Die dasselbe Gewerbe treibenden Handwerker wohnten in einer Gasse zusammen. Die Erinnerung an diese Zustand lebt noch in heutigen Strassenbezeichnungen. Die Schmiede waren an der Eisengasse, die Permenter, Gerber, Schuster an der unteren, mittleren und oberen Gerbergasse, die Gewürzkrämer (Ingwer) in der Nachbarschaft des Imbergässleins. In der Nähe der Plätze befanden sich auch die Sattler, die Sporer und Becherer, auf den Plätzen selbst, Fischmarkt und Kornmarkt, und im Gebiet zwischen ihnen, in der Brotlaube und in der School, wurden Lebensmittel verkauft. Am Fischmarkt als dem ältesten städtischen Platz sassen ursprünglich auch die Wechsler, und dort wurde Salz feilgeboten. Interessant ist, dass sich die Schmiede später am Spalenberg niederliessen. Ähnliche Wanderungen sind auch sonst zu beobachten. Der Auszug der das innerstädtische Leben gefährdenden Gewerbe (z.B. durch Feuer) ist vermutlich auf behördliche Anordnungen zurückzuführen, wie sie besonders nach Stadtbränden häufig festzustellen sind. In den vorsorglichen Massnahmen gegen Feuergefahr, die im Hinblick auf den vorherrschenden Holzbau von grosser Wichtigkeit waren, wie in der Differenzierung der Rechtsbegriffe für Eigentum und Nutzung des Bodens, wird überhaupt zuerst die Entwicklung des städtischen Denkens fassbar.

Entfernung der Stadtmauern

Mit dem Gesetz über die Erweiterung der Stadt sollten die Stadtgräben aufgefüllt, neue Stadteingänge hergestellt und die Stadtmauern und Schanzen ganz oder teilweise beseitigt werden. Damit öffneten die Behörden die Stadt der industriellen Entwicklung und veränderten mit dem forcierten Entscheid das jahrhundertealte Weichbild Basels in unkorrigierbarer Weise. Die meisten der mächtigen Tore und Türme, welche die hohen Schutzmauern befestigten, mussten bereits vorher der Stadterweiterung weichen; so der Thomasturm (1806), der Eselsturm (1821), der Spalenschwibbogen (1838), das Rheintor (1839), der Aeschenschwibbogen (1841) und das Aeschenbollwerk (1858).

Abbruch des St. Johanns-Schwibbogens am oberen Ende des Blumenrains im September 1873. Rechts das Geschäft des bekannten Photographen Höflinger, der als Zeuge im Hauseingang steht.
Bild: © Staatsarchiv Basel-Stadt, AL 45, 6-73-4
Quelle: Staatsarchiv Basel-Stadt

Eine richtiggehende Abbruchwelle begann mit der signalisierten "Entfestigung des Mauergürtels". Die malerischen Schwibbogen wurden niedergelegt und brachten Licht, Luft und Bewegungsfreiheit in die engen Gassen. Die mächtigen Befestigungen, Wälle und Gräben wichen neuen Strassenzügen und Parkanlagen. Von den 49 Türmen, 42 Letzen, 8 Schanzen, 8 Bollwerken sowie den 1499 Zinnen sind nur einzelne noch vorhanden. Kaum war die rechtliche Grundlage für die Stadterweiterung gegeben, vollzog sich diese in einem Umfang und mit einer Schnelligkeit, die niemand vorausgesehen hatte. Nur wenige Jahre dauerte es, bis Basel aus einem befestigten Platz zur offenen Stadt geworden war, deren neuer, ausserhalb der Befestigungen entstandener Teil die Altstadt an Umfang weit übertraf. Bemerkenswert dabei ist, dass ein erstaunlich grosser Mehrteil der Bevölkerung sich positiv aussprach über die Entfernung der Stadtmauern. Interessant wäre sicherlich die Beantwortung der Frage, ob man heute, 150 Jahre später, sensibilisierter mit der historischen Bausubstanz umgehen würde.

Schneiders Bilder und die Gegenwart

Der Vergleich von altem und neuem Bildmaterial kann sehr anschaulich aufzeigen, wie sich unsere Stadt in den letzten 150 Jahren verändert hat. In ein paar Beispielen stellen wir deshalb Bilder von J. J. Schneider aktuellen Ansichten von Googles "StreetView" gegenüber.

Riehentorstrasse

Der letzte Abschnitt der Riehentorstrasse hat zwar das Stadttor zum Rhein eingebüsst, blieb sonst aber beinahe unangetastet. Fensterläden, Ecksteine und viele andere Details blieben unverändert. Warum wurden wohl die Türen in der Mauer vom Waisenhaus zugemauert?


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Claraplatz Richtung Kleinhünigen

Der Vergleich von alt und neu zeigt deutlich, dass am Claraplatz kein einziges Gebäude aus der Zeit von J. J. Schneider stehen blieb (ausser der hier nicht sichtbaren Clarakirche). Als einer der letzten "Überlebenden" wurde der Äbtische Hof (rechts im Bild) um 1951 abgerissen.


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Blick auf den Harzgraben

Dieser Ausblick hat sein markantestes Element - den St. Albanschwibbogen - gegen die noch viel markantere Wettsteinbrücke eingetauscht. Heute kann man sich schwer vorstellen, dass der Harzgraben früher ein beliebter Aussichtspunkt war.

Blick von der Herrenmatte (Kleinbasel) auf den Harzgraben vor 1854
Bild: © Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Schn. 7
Quelle: Staatsarchiv Basel-Stadt

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Theodorskirche

Die Theodorskirche, als eines der wichtigen Baudenkmäler von Basel, hat die Zeit seit der Entstehung von Schneiders Gemälde (um 1880) beinahe unverändert überstanden. Die Allerheiligenkapelle im Vordergrund war jedoch schon zu dieser Zeit in einem "ruinenhaften" Zustand und wurde wenig später abgerissen. Bei Schneider schon zu sehen ist das Geländer der eben fertiggestellten Wettsteinbrücke. Die heutige Brücke ist aber ein Nachfolgebau, der 1995 fertiggestellt wurde.

Theodorskirche und Allerheiligenkapelle
Theodorskirche und Allerheiligenkapelle von der Wettsteinbrücke um 1880
Bild: © Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Schn. 206
Quelle: Staatsarchiv Basel-Stadt

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Stadterweiterungsgesetze

Im Rahmen des "Gesundungswerks" müssen wir die wichtigsten Gesetze des 19. Jahrhundert über die Erweiterung der Stadt und die Strassenkorrektionen verstehen. Die nach aussen sichtbarste Veränderung in jener Zeit war die Entfernung der Stadtmauern, ein Umstand, den viele auch heute noch beklagen. Das Basler "Gesetz über Erweiterung der Stadt" von 1859 diente in erster Linie der Aufstellung eines zweckmässigen Strassennetzes und der gleichfalls zweckmässigen Verbindung von neuen Quartieren mit der inneren Stadt. Die Stadtbefestigungen waren diesem Projekt im Weg. Effner schlug eine Verwandlung der Befestigungen in bepflanzte Aussichtspromenaden vor. Bei der Umwandlung von Festungsgebiet zu Bauland hätte Basel-Stadt dem neuen Kanton Baselland zwei Drittel des Erlöses abtreten müssen, und so wurden öffentliche Verkehrsflächen, Gartenanlagen, Promenaden usw. angelegt. Einige wenige Bauten wie das Spalentor empfanden die Stadtplaner schon 1859 als Zierde, so dass sie erhalten blieben.

Der Ratschlag über Erweiterung der Stadt liess ausserdem durchblicken, dass der Bürger von etwaigem Gesindel durch eine wohlorganisierte und wachsame Polizei in einer modern angelegten Stadt besser geschützt sei als durch Mauern und Gräben und eine winkelige Altstadt. Den neuen Strassen sollte das Gesetz nicht allein gehörige Breite, sondern einen angemessenen Luft- und Lichtraum sichern. Hätte sich das Stadtzentrum nach allen ehrgeizigen Korrektionsplänen des 19. Jahrhunderts erneuert, wäre von der Altstadt faktisch nichts übriggeblieben. Das "Gesetz über Hochbauten" 1864 bestimmte die Höhen der Hausfassaden nach der Strassenbreite. Die folgende kurze Übersicht über die wichtigsten "Gesetze und Verordnungen über das Bauwesen" kurz vor 1864 zeigt deutlich den primär sanitaren Charakter:

1857 Verordnung und Regulativ betreffend die Strassenreinigung

Dazu §1: "Jeder Eigentümer einer Liegenschaft in der Stadt, welche eine öffentliche Strasse oder Platz begrenzt, hat den vor seinem Eigenthume liegenden Strassentheil in der Regel bis auf die halbe Strassenbreite, und zwar je nach der Stärke des Verkehrs entweder dreimal wöchentlich oder täglich (Sonn- und Festtage ausgenommen) kehren und säubern zu lassen." Dies geschah aufgrund einer Zunahme der Bevölkerung und des Verkehrs und im Interesse der öffentlichen Gesundheit.

1858 Neue Dolen-Ordnung

Die Baubehörde ordnete die regelmässige Reinigung der Dolen an und die Reinigungskosten waren von den Hausbesitzern zu übernehmen. Es wurde verboten, Holz, Steine, Geschirr, Kohlen, Kleider, Stroh und dergleichen in die Dolen zu werfen.

1859 Gesetz über Erweiterung der Stadt

(...)

Umwandlung der Befestigung in Grünflächen

Mehr als 450 Jahre umgab der dritte und letzte Mauerring schützend die Stadt Basel. Aeneas Sylvius allerdings, dem wir eine erstaunlich präzise Beschreibung unserer Stadt und ihrer Bewohner verdanken, urteilte: "Die Ringmauern und Bollwerke möchten kaum eine, kriegerischen Angriff oder einer regelrechten Belagerung Stand halten." Zum Glück hatte die Befestigung in den folgenden Jahrhunderten nie ihre Wirksamkeit unter Beweis zu stellen. Als um die Mitte des 19. Jahrhunderts aus Raummangel der Abbruch der Befestigung erwogen wurde und man sich über ihren geringen militärischen Wert durchaus im Klaren war, konnten sich trotzdem viele Bewohner mit der Vorstellung einer entfestigten Stadt nicht abfinden. Dies kommt am deutlichsten darin zum Ausdruck, dass man 1844 den Bahnhof der neu eröffneten Linie Basel-Mülhausen innerhalb des erweiterten Mauerrings auf dem Areal des Schällemätteli errichtete. Kein Geringerer als Melchior Berri entwarf das Eisenbahntor, das nachts verschlossen wurde. Die Bedeutung und auch Gefahr, die man in der übrigen Schweiz dieser Eisenbahnlinie beimass, mag die Frage an der Tagsatzung, ob Basel im Stande sei, die Neutralität weiterhin zu schützen, zeigen. Den Ausschlag für den Abbruch der Befestigung gab dann schliesslich nach leidenschaftlich geführten Debatten doch das neue Verkehrsmittel Eisenbahn. Der Bau der Centralbahn und ihres Bahnhofs an der Stelle des heutigen Bundesbahnhofs machten eine grosszügige Verkehrsverbindung zur Stadt nötig. Das dazu geschaffene Gesetz vom 27. Juni 1859 lautet: "Zur Herstellung angemessener Verbindung zwischen den äusseren neuen Quartieren und der inneren Stadt durch Strassen und öffentliche Plätze ist der kleine Rat ermächtigt, da wo es das Bedürfnis erheischt und die Verhältnisse es passend erscheinen lassen, die Stadtgräben je nach seinem Ermessen auszufüllen und neue Stadteingänge herzustellen, auch die bisherigen Stadtmauern nebst daranliegenden Schanzen ganz oder teilweise zu beseitigen." Als erstes wurde dann auch der Stadtgraben zwischen dem Aeschentor und Steinentor aufgefüllt und das Aeschenbollwerk beseitigt.

Die Neuanlage und Korrektion von Strassen und das Bauen an denselben wurde im Gesetz vom 29. August 1859 geregelt. Schon jahrelang hatten Spekulanten auf den Abbruch der Stadtmauer und das Auffüllen der Gräben gedrängt. Was in den folgenden Jahrzehnten städtebaulich auf dem "Neuland" geleistet wurde, erfüllt uns heute noch mit Bewunderung. Anstelle der aufgefüllten Stadtgräben und Mauern entstanden breite Boulevards mit Grünanlagen. Für ihre Gestaltung zog Ratsherr Karl Sarasin 1866 den Gartenarchitekten C. von Effner aus München bei und schuf die Stelle eines Stadtgärtners. Schöne Beispiele solch grosszügiger Anlagen waren der Aeschengraben und die St. Albananlage. Bei beiden sind die gediegenen spätklassizistischen und neobarocken Villen und Reihenhäuser bis auf einige wenige durch moderne Wohn- und Geschäftsbauten ersetzt worden. Um die Neugestaltung des Gebiets östlich vom Aeschentor machten sich Bürgermeister Johann Jakob Stehlin d. Ä. und Ratsherr Karl Sarasin besonders verdient. Ihr Plan war es, den Platz vor dem Aeschentor als eigentliche repräsentativen Stadteingang zu gestalten. Schon 1857 hatte Bauinspektor Amadeus Merian die Aufgabe zugewiesen bekommen, den Platz vor dem Aeschentor zu gestalten. Merian, der bei seinem Projekt das Aeschentor stehen lassen und in die Planung einbeziehen wollte, erzählt in seinem lesenswerten Memoiren folgende Begebenheit: "Eines Tages kam Herr Ratsherr Stehlin als Vizepräsident des Baukollegiums zu mir auf das Baubureau, um die in Arbeit befindliche Disposition der Umgebung des Aeschentors zu besichtigen. Als er dieselbe angesehen, sagte er: 'Dies ist keine architektonische Lösung, wissen Sie was, die Quartiere und die Strassenanlagen um die grosse Stadt überlassen Sie mir, diejenigen der kleinen Stadt überlasse ich Ihnen'."

Begreiflicherweise äussert sich Merian in seinen Memoiren voll Bitterkeit über Vater und Sohn Stehlin. Musste er sich doch, der mit dem Café Spitz und dem Hotel Drei Könige glänzende Beweise seines Könnens geliefert hatte, während seiner Amtszeit als Bauinspektor seine Pläne von Vater Stehlin kritisieren lassen. Als Merian von der Regierung beauftragt wurde, Pläne für ein neues Postgebäude an der Freien Strasse auszuarbeiten, gelang es Stehlin sogar, ihn auszuschalten und den Auftrag seinem Sohn zuzuschanzen. Dieser erbaute dann auch die meisten Villen im Gellert und viele Staatsbauten. Wenn auch das ganze rücksichtslose Treiben der beiden Stehlins unsympathisch ist, so muss man gerechterweise doch zugeben, dass der jüngere Stehlin die neuen städtebaulichen Aufgaben, die vielleicht doch Merians Begabung überstiegen hätten, vorzüglich gelöst hat.

Das Gesundungswerk ab 1860

Es musste damals ernsthaft gefragt werden, wie die Städte bei immer schneller zunehmender Industrialisierung und Bevölkerung ohne energische Massnahmen weiter existieren sollten. Basel zählte 1779 noch 15'040 Einwohner, 1860 bereits 37'915; den Unmut einiger Bewohner über die Entfremdung innerhalb der eigenen Stadt hätte man noch hingenommen. Schlimmer waren die Epidemien, die auch Basel nicht verschonten: 1855 Cholera, 1865/66 Typhus. In Basel stellte 1856 ein eigener Cholera-Ausschuss schliesslich lakonisch fest: "Dass aber in einer Stadt, deren Bevölkerung in einzelnen Strassen seit einem Menschenalter sich mehr als verdoppelt hat und ferner steigen wird, bestimmte Vorschriften nöthig werden, (...) ist einleuchtend" (General-Bericht des Cholera-Ausschusses an den E. Kleinen Rat, 1856, S. 112). Der öffentliche Chemiker Basels, Friedrich Goppelsroeder, stellte eine grundlegende Infektion des Bodens und damit des Grundwassers fest. Auch die schlechte Luft wurde hervorgehoben, die ebenfalls Krankheitserreger verbreitete. Die Stadt war also im wahrsten Sinn des Wortes krank. Was folgen musste, war ein tiefgreifendes "Gesundungswerk".

Unter "Stadtgesundung" verstand das 19. Jahrhundert in erster Linie eine Verbesserung der hygienischen Verhältnisse und damit den Ausbau der Wasserversorgung, der Entwässerung, der Beachtung guter Luft- und Lichtverhältnisse. Der Berner Arzt Adolf Vogt forderte, dass von nun an auch Ärzte als Sachverständige zu Fragen der Stadtplanung herbeigezogen würden. So kam es zu einem Erfahrungsaustausch zwischen Architekten, Ingenieueren, Ärzten, Fabrikanten und Politikern. Damit aber die gewonnenen Erkenntnisse im Wohnungs- und Städtebau umgesetzt werden konnten, bedurfte es des Ausbaus der Gesetzgebung, was wiederum eine gewisse Einschränkung bisher unangetasteter privater Freiheiten und Rechte mit sich brachte. Entwicklungen uns Abstimmungen verliefen entsprechend nicht kampflos; als beispielsweise 1876 die Volksabstimmung über das Kanalisationsgesetz kam, lehnten die Basler es mit einem Mehr von 4:1 ab. Die Bürger fürchteten offenbar den grossen Einfluss öffentlicher Kanäle auf die Stadtplanung mehr als die Epidemien!

Dort wo der Stadtplaner generell damals freie Hand hatte, ging er rücksichtslos vor. Neue Quartierstrassen legte er am liebsten nach dem wirtschaftlichsten Verlauf eines vorher festgelegten Kanalisationssystems an. Architekten und Ingenieure träumten von Strassen, die schnurgerade verlaufen sollten. Als die Stadtmauern Stück für Stück der Spitzhacke zum Opfer fielen, stiessen gerasterte Vorstadtquartiere an eine nun ungeschützte Altstadtsubstanz an. Die Befürchtung, dass nun Stadtplaner auch in diese Altstadtsubstanz solche gerasterten Achsen hineintreiben könnten, veranlasste vermutlichen einen grösseren Teil der Bevölkerung 1876 zur Ablehnung des Basler Kanalisationsgesetzes.

Zur Luftverbesserung von Basel entwarf 1860 der Hofgärtner Karl Effner einen erstaunlich rigorosen Begrünungs- und Baumbepflanzungsplan. Auch wenn die meisten Vorschläge Effners nicht verwirklicht wurden, so blieb seine Grundidee bestehen, Bauten aus dem angestammten städtischen Bauverband herauszulösen und zu umgrünen, über Generationen hinweg bestehen.

Siehe auch: Stadterweiterung

Neue Wohnhäuser in der Altstadt

Während sich nach der Schleifung der Stadtbefestigung 1860 in den neuen Aussenquartieren eine fieberhafte Bautätigkeit entfaltete, wurden in der Altstadt selber wenig neue Wohnhäuser erstellt. Schon vor der Jahrhundertmitte hatte sich durch Zuzug von Fabrikarbeitern ein katastrophaler Wohnungsmangel bemerkbar gemacht. Die Altstadthäuser, insbesondere in der Birsigniederung, waren hoffnungslos überfüllt und durch überbaute Hinterhöfe zu lichtlosen, feuchten Löchern geworden. Die wohlhabenden Familien bewohnten ihre feudalen Paläste aus dem 18. Jahrhundert, die auf Terrassen über Rhein und Birsig lagen. Nach der Freigabe des Baulands vor der Stadtmauer zogen viele dieser Familien in den Gellert. So wurden die von der Citybildung nicht betroffenen Teile der Altstadt zu eigentlichen Slums. Nur im Dreieck St. Albanvorstadt-St. Albananlage-Dufourstrasse gab es nach der Jahrhundertmitte noch Landreserven. Auch hier wie im Gellert hinterliessen die drei Stehlins (Vater, Sohn und Neffe) beste Zeugnisse ihres architektonischen Könnens. Dem Quartier entsprechend handelt es sich vorwiegend um freistehende Villen. Eher ein Kuriosum stellt die von den Architekten La Roche und Stähelin gestaltete erkergeschmückte Fassade des Hauses "Zum Geist" an der St. Albanvorstadt dar. Ging es doch darum, vier spätmittelalterliche Häuser hinter einer einheitlichen Fassade im Spätrenaissance-Barockstil zu verbergen. Es ist dies eine Baugesinnung, wie sie im 18. Jahrhundert üblich war, als man gotische Häuser barockisierte und somit der Zeitmode anpasste. Wie es ein begabter Architekt verstand, einen Neubau taktvoll in einen historischen Rahmen hineinzustellen, zeigt das von den Architekten La Roche und Stähelin erbaute Haus an der Rittergasse 7, das sich stilistisch an den benachbarten barocken "Ramsteinerhof" anlehnt.

Stadtentwicklung

Wenn man die Stadtpläne von Merian (1615) und Mähly (1847) betrachtet, fällt auf, dass die städtische Topographie während Jahrhunderten unverrückt geblieben war. Seit dem Grossen Erdbeben und dem Grossen Stadtbrand und der daraus folgenden Neubebauung (die Basel übrigens den Ruhm einer schönen und sauberen Stadt einbrachte), hatte Basel kein Unglück zu erleiden. Es war der Aufbruch des technischen Zeitalters, der im 19. Jahrhundert die Zerstörung wertvoller mittelalterlicher Bausubstanz in Gang setzte. Die enorme Vermehrung der Bevölkerung, die Kantonstrennung, die Industrialisierung sowie der zehnfach gesteigerte Verkehr verlangten breitere und bequemere Strassen und erheischten im Interesse öffentlicher Sicherheit und Gesundheit tätigeres Eingreifen des Staates in die Wohnungs- und Bauverhältnisse der Bürger und Anwohner.

Doch viele Zeugen der alten Baukunst sind nicht der dringlichen Umstände wegen, sondern "im Sog übersteigerter Bausucht zum Opfer gefallen. Man möchte fast sagen: gedankenlos und überhastet, geschäftstüchtig und profitgierig" (Meier 1995: 6).

Anstelle von Klöstern und Sakralbauten schossen dem Gemeinwohl dienende öffentliche Gebäude in die Höhe. Das Hasengässlein, die Kronengasse, die Schwanengasse, der Salzberg, der Blumenplatz, die Davidsgasse, die Spiegelgasse, der Petersberg, die Sporengasse, das Badergässlein, der Duttliweg wurden auf dem Stadtplan gelöscht. Lusthäuser und Landsitze machten Fabriken, Miets- und Wohnhäusern Platz. Stilvolle Bürgerhäuser und Zunfthäuser wurden durch Betonbauten ersetzt.

Neue Quartiere entstanden

Die Entstehung der City

Über Jahrhunderte erfolgten innerhalb des Mauerrings keine baulichen Eingriffe, die das Stadtbild schwerwiegend verändert hätten. Da und dort wurde ein gotisches Haus gegen ein barockes ausgewechselt oder auch nur die Fassde im Stil der Zeit umgestaltet. In der Talniederung des Birsigs wohnten und wirkten im Mittelalter die Handwerker und Kaufleute. Die ritterlichen Gefolgsleute des Bischofs bewohnten den Münsterhügel, was im Strassennamen Rittergasse zum Ausdruck kommt. Auch am Nadelberg standen behäbige Adelssitze (die Strasse hiess früher Adelsberg). Vor einigen Jahrzehnten entdeckte, freigelegte und konservierte Malereien zeugen von der einstigen Pracht ihrer Räume. Während uns Rittergasse und Nadelberg, abgesehen von einigen baulichen Einbrüchen, noch einen recht guten Eindruck des alten Strassenbilds vermitteln, wird man in der Talstadt nur noch wenig Bauten aus dem Mittelalter oder der Barockzeit finden. Wie in vielen anderen europäischen Städten, die in den letzten zwei Jahrhunderten eine stürmische Entwicklung durchmachten, wurde auch in Basel die Innenstadt zur City, d.h. anstelle der schmalen Handwerkerhäuser entstanden entweder auf den alten oder auf durch Zusammenlegung entstandenen neuen Parzellen Geschäftshäuser, Banken, Versicherungsgebäude, Kaufhäuser, Restaurants, Post- und Börsengebäude. Dadurch wurde die Wohnbevölkerung immer mehr aus dem Stadtkern verdrängt. Die in den 1890er Jahren gewachsene Basler City könnte etwa durch das Geviert Freie Strasse-Marktplatz-Eisengasse-Blumenrain-Spiegelgasse-Stadthausgasse-Marktplatz-Gerbergasse-Barfüsserplatz-Steinenvorstadt-Theaterstrasse-Steinenberg begrenzt werden. Wie sich diese Citybildung damals vollzog, soll anhand der Beispiele Freie Strasse und Falknerstrasse eingehender gezeigt werden.

Die Freie Strasse ist 1241 als "libera strata" erstmals urkundlich erwähnt. Die Frage, ob "frei" die Bedeutung von unüberbaut hat oder ob hier ein Freilager für den Durchgangsverkehr bestand, muss offen gelassen werden. Mit der Eröffnung des Gotthardpasses um 1200 und dem Bau der Mittleren Brücke 1225 gewann die schon in römischer Zweit wichtige Handelsstrasse enorm an Bedeutung. Nicht zufällig siedelten sich hier die Schlüssel-, Brotbecken-, Hausgenossen-, Rebleutenzunft und die Zunft zum Goldenen Sternen an. 1376 wurde an der Stelle der heutigen Hauptpost das Kaufhaus errichtet. Im 15. und 16. Jahrhundert war die Strasse ein beliebtes Wohnviertel für wohlhabende Bürger. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts bewahrte die Strasse ihr mittelalterliches Gepräge. 1845 wurden anstelle des alten Spitals auf dem von Freie Strasse, Kaufhaus- und Barfüssergasse umschlossenen Areal nach den Plänen von Johann Jakob Heimlicher und Melchior Berri respektable Neubauten erstellt. 1851 erhielt Johann Jakob Stehlin d.J. den Auftrag, an der Stelle des Kaufhauses ein neues Postgebäude zu errichten. Da in diesem Zusammenhang Liegenschaftskäufe und Parzellenzusammenlegungen nötig wurden, ging man an die Verbreiterung der unteren Freien Strasse. Die Korrektion des oberen Teils erfolgte erst 1895. Von 57 Häusern wurden 8 umgebaut und 49 durch Neubauten ersetzt. Durch Parzellenzusammenlegungen entstanden nur 32 neue Häuser. Das architektonische Gepräge, wie es heute noch zu einem guten Teil zu sehen ist, erhielt die Strasse in den späten 1890er Jahren. Am Bau der neuen Geschäftshäuser, deren exaltierte Fassaden alle europäischen Architekturstile aufweisen, waren sozusagen alle prominenten Basler Architekten der Zeit beteiligt.

Parallel zur Freien Strasse fliesst der Birsig. Dieser im Mittelalter für das Gewerbe lebenswichtige Fluss wurde im Lauf der Jahrhunderte im Abschnitt zwischen Barfüsserplatz und Hauptpost zu einer stinkenden Kloake, die Abwässer und Unrat der Talstadt aufzunehmen hatte. Besonders bei Niedrigwasser müssen die Zustände schrecklich gewesen sein. Leider brauchte es zwei Katastrophen, die Choleraepidemie von 1855 und die Typhusepidemie von 1865, bis man 1890 daran ging, die Seitendohlen zu beseitigen und den Fluss zu überwölben. Zu Ehren des damaligen Vorstehers des Baudepartements wurde die neu geschaffene Strasse Falknerstrasse getauft.