Tramèr-Villa

Die Tramèr-Villa hatte damals noch die Adresse Riehenstrasse 8 und lag an der Ecke Rheinfelderstrasse (damals noch Grenzacherweg).

Am 4. Februar 1976 begannen Männer mit Spitzhacken und Vorschlaghammer auf dem Dach der Tramèrschen Villa an der Riehenstrasse 36 ein Bauwerk zu zerstören, das in charmanter Zurückhaltung an die einst zahlreichen herrschaftlichen Häuser vor den Toren der Stadt erinnerte und das mit einem schönen Park und den romantischen Stallungen inmitten des von unablässigem Verkehrslärm geplagten Quartiers ein dringend notwendiges Stück an Beschaulichkeit und Geborgenheit darstellte.

Der Weg aus der Stadt nach Riehen war einst gesäumt von prächtigen Gebäuden. Denn während des ganzen 17. und 18. Jahrhunderts erbauten sich die Stadtbürger mit Vorliebe hier ihre kleinen Fürstensitze von gediegener Pracht, die sich als Schöpfungen einer kultivierten Bau- und Gartenkunst harmonisch in das Bild der Landschaft einfügten. Das erste, das Faesch-Liessler'sche Landhaus (Nr. 42/46), stand unweit vom Riehentor, darauf folgte das De Bary-Landhaus (Nr. 65), und die Reihe setzte sich mit der "Sandgrube", dem Ryhiner-Leissler'schen Landhaus (Nr. 159), dem "Zedernhof" (Nr. 192), dem "Heimatland" (Nr. 246) und dem "kleinen Surinam" (Nr. 275) fort, um dann über den Bäumlihof zu der Gruppe der stolzen Riehener Landhäuser zu führen. Nahe der Innenstadt ist uns nur noch die "Sandgrube" geblieben.

Die Tramèr-Villa an der Ecke der späteren Rheinfelderstrasse
Bild: © Staatsarchiv Basel-Stadt, AL 45, 8-54-5
Quelle: Staatsarchiv Basel-Stadt

Das reizvolle, namenlose Haus Nr. 36, an der Ecke der Riehenstrasse und der Rheinfeldstrasse war wesentlich später als die genannten Bauten entstanden und diente in seinen letzten Jahrzehnten dem beliebten Kleinbasler Arzt Dr. Fritz Tramèr als Wohnsitz. Nach seinem Tod wurde es verkauft, und bald lag ein Projekt für die Überbauung des Areals durch eine grosse Wohnliegenschaft vor. Die Behörden hatten es leider unterlassen, dem bereits 1958 eingereichten Begehren des Basler Heimatschutzes um Unterschutzstellung des Hauses stattzugeben.

Das im klassizistischen Stil gebaute Haus dürfte in den 1840er Jahren erbaut worden sein. Das genaue Baujahr und den Architekten kennen wir nicht, doch die Vermutung liegt nahe, dass es das Werk von Amadeus Merian, dem Schöpfer des Café Spitz, sein dürfte. Nicht nur stilistische Überlegungen - Ähnlichkeiten mit dem Café Spitz waren unverkennbar - führen zu diesem Schluss, sondern auch biographische Momente: Das Haus wurde erbaut für Maria Magdalena Eglin-Wegner, die Witwe des Ratsherrn und späteren Appellationsrats Jacob Christoph Eglin, des Vizepräsidenten des Baukollegiums und eines grossen Förderers von Amadeus Merian, der an Merians Wahl zum städtischen Bauinspektor beteiligt war und auch der Kommission der Drei Kleinbasler Ehrengesellschaften angehörte, welche ihm den Bau des Café Spitz übertrug. Die Eglin waren eine auf Abraham Eglin-Marbach (1678-1735) zurückgehende Dynastie von Kleinbasler Zimmermeistern, die ihre Gewerbe in dem zur selben Zeit ebenfalls bedrohten "Steinhof" (Obere Rebgasse 32) betrieben, ein Unternehmen, das in der Folge von Friedrich Lotz-Eglin übernommen und später von Ernst Eisenhut-Züst weitergeführt wurde. Eine Angehörige der Familie Lotz lebte noch während des Ersten Weltkriegs im Haus an der Riehenstrasse.

Die Tramèr-Villa wohl kurz vor ihrem Abbruch. Foto: P. Armbruster

Im 15. Jahrhundert hat Aeneas Syvlius Piccolomini, späterer Papst Pius II. und Gründer unserer Universität, voller Begeisterung in seinem Tagebuch festgehalten: "Die Bürgerhäuser in Basel sind in allen ihren Teilen ausserordentlich gediegen und so hübsch und gepflegt, dass auch Florenz nichts Besseres aufzuweisen hat. Alle glänzen von Sauberkeit. Die meisten sind mit Malereien verziert. Jedes Haus hat seinen Garten, seinen Brunnen, seinen Hof, auch warme Stuben. Dort sind alle Fensteröffnungen verglast und die Wände, Fussböden und Decken mit Tannenholz verschalt. Vorhöfe deuten auf die Vornehmheit des Hauses hin. Kurzum, was Gebäude und Paläste betrifft, ist nichts auszusetzen. Sind aber diese schön, so kann eine Stadt ja gar nicht hässlich sein."

Demgegenüber hat allerdings vor 120 Jahren Fjodor Michailowitsch Dostojewski, der begnadete Literat aus dem fernen Russland, anlässlich eines Besuches in Basel in melancholischer Trübsal ausgerufen: "Mein Gott, hat diese Stadt ein düsteres Aussehen. Grosse dreistöckige Häuser aus Stein, deren Fenster sorgfältig mit Läden verschlossen sind. Das verleiht der Stadt ein gedrücktes Aussehen. dass einem förmlich bange zu Mute wird. Die Strassen sind ziemlich unbelebt; nur hie und da begegnet man einer alten Frau oder einem alten Herrn. Sonst sieht es so aus, als hätte hier die Cholera gewütet. Wirklich, ich glaube, das Leben in dieser Stadt muss entsetzlich langweilig sein!"

"Wenn wir die gegensätzlichen Aussagen der beiden Männer über unsere Stadt einander gegenüberstellen und uns fragen, welchen Inhalt ihr Urteil wohl heute haben würde, dann wäre anzunehmen, dass uneingeschränkte Begeisterung und Trostlosigkeit sich zu einer Symbiose geklärter Mässigkeit mit leicht negativem Schwergewicht verschmelzen würden." (E.A. Meier 3.6.1976) 

Quellen:

  • Basler Nachrichten vom 6, März 1976
  • National-Zeitung vom 8. März 1976