Vierlindenbrunnen

Der Vierlindenbrunnen an der Gabelung Steinenthorstrasse-Klosterberg erscheint mit seinen Bäumen wie ein heiliger Hain inmitten der umgebenden Bauten.

Zum ersten Mal kommt der Brunnen an jener Stelle im 17. Jahrhundert vor. In einer Zeit grosser Hitze und Dürre – das Jahr ist nicht angegeben – liess der Rat nach Quellen suchen, um die versiegenden Brunnen der Stadt zu speisen. Dabei stiess man auf eine längst vergessene, die einst der „Hirtenbrunnen“ geheissen hatte. Man leitete das wiederentdeckte Wasser in die Stadt zu den verschiedenen schon bestehenden Brunnen, zugleich aber errichtete man beim Steinenkloster eine „schlechte Stockröhren“, für welche die Anwohner dem Rat zu grossem Dank verpflichtet waren. Aus nicht ersichtlichen Gründen wurde dieser bescheidene Brunnstock nach einigen Jahren wieder entfernt, woraufhin die bisherigen Benützer um Wiederherstellung ersuchten. Dieselben scheinen mit ihrem Gesuch keinen Erfolg gehabt zu haben, denn im Jahre 1758 wiederholten die Bewohner jenes Stadtteiles die Bitte um Errichtung eines öffentlichen Sodbrunnens. Dem "underthanigen hochtrungenlichen Pitten und flechen der gehorsamen Burger und der ganzen Nachburschafft an der Hinderen Steinen" entsprechend, erwies der Rat 1758 "gnädige Willfahr", indem er das Bauamt beauftragte, "diesen Sodbrunnen, der bey der so genanten Linden gegraben werden könte, auf eine anständige Art machen zu lassen". Im Winter desselben Jahres wurde der Bau ausgeführt.

Blick aus der vorderen Steinentorstrasse Richtung Klosterberg. Der Vierlindenbrunnen liegt unter üppigen Laubbäumen, somit blieb das Wasser aus dem Sod stets kühl.
Bild: © Staatsarchiv Basel-Stadt, AL 45, 2-76-2
Quelle: Staatsarchiv Basel-Stadt

Wer die Pläne zu der reizenden Anlage entworfen hat, ist nicht bekannt. Die Kuppelbedachung auf vier Säulen war nicht bloss schön anzusehen, sie erfüllte auch zwei Zwecke: Zum einen schützte sie den Sod vor Wind und Wetter und zweitens konnte darin die Kübelaufzugsvorrichtung solide angebracht werden. Später wurden zwei Hahnen installiert, aus denen die Anwohner das frische Trinkwasser beziehen konnten. 1845 wurde der Brunnen dem städtischen Münster-Brunnwerk angeschlossen, und die Bewohner hatten keinen Zugang mehr zu dem frischen Grundwasser, sondern mussten Vorlieb nehmen mit Wasser aus Grellingen. Die Steinlemer waren aber mit dem neuen Wasser gar nicht einverstanden; sie schrieben dem Regierungsrat in einem Brief, das Wasser schmecke "im Sommer etwas lau, um nicht zu sagen wärmlich". Sie gaben deutlich zu verstehen, sie würden einem Trunk aus ihrem Sod den Vorzug geben. Die Anwohner hatten damit Erfolg: Der Brunnen wurde daraufhin als Doppelbrunnen so eingerichtet, dass aus einem Wasserhahn das Grellinger Wasser und aus dem anderen, gespeist durch eine hässliche holzverschalte Pumpeinrichtung, das Sodwasser floss. Diese Pumpeinrichtung ersetzte den Kübelaufzug und ist auf der Abbildung an dem Pumphebel unter der Kuppel erkennbar.

Ansicht des Vierlindenbrunnens, auch Steinenbrunnen genannt, um 1880. Unter der Kuppel ist die Pumpvorrichtung zu erkennen, die 1845 eingerichtet wurde, aus dem rechten Hahn floss das Wasser aus dem städtischen Versorgungssystem.
Bild: © Staatsarchiv Basel-Stadt, AL 45, 2-79-1
Quelle: Staatsarchiv Basel-Stadt

Im Jahr 1868 bestand für den eigenartigen barocken Brunnen mit der "auf 4 Säulen getragenen steinernen Kuppel" die ernsthafte Gefahr der Beseitigung. Das städtische Brunnamt überlegte sich ernstlich, ob es nicht die baufällig gewordene Anlage ganz beseitigen und durch einen neuen brunnen ersetzen sollte. Glücklicherweise entschied es sich für Beibehaltung des alten Bestandes, in Anbetracht von dessen Schönheit. Man ersetzte nun teilweise die beschädigten Partien des Kuppelbaus und der Tröge oder besserte sie aus; eine völlige Erneuerung der letzteren scheint aber nicht stattgefunden zu haben. Man darf daher wohl annehmen, dass die alten Bassins von 1758 noch jetzt ihren Dienst versehen.

Im Frühjahr 1901 wurde der Brunnen vollständig renoviert. Der bis zur Kuppel reichende hölzerne Stock, an dem der Schwengel und die Röhre des laufenden Brunnens angebracht waren, wurde entfernt, der Sodbrunnen aus hygienischen Gründen - das Grundwasser galt als verdächtig - mit einer Steinplatte geschlossen und auf dieser Steinplatte der jetzt bestehende niedrige Brunnstock aus rotem Sandstein aufgestellt. Die vier Säulen wurden ebenfalls mit neuen Kapitälen aus Sandstein verziert und der obere Brunnentrog erhielt eine neue Brunnröhre und Speisung durch laufendes Wasser. Der neue Brunnen wurde zusätzlich mit einer steinernen Vase gekrönt, nachdem sie jedoch wiederholt durch Knaben des Quartiers heruntergeschlagen worden war, wurde sie 1905 durch eine aus Kupfer ersetzt. 1907 schliesslich erhielt der Brunnen unter der Leitung der Architekten E. Vischer und Sohn eine neue Bemalung, wie man sie in der Abbildung schön erkennt.

Der Vierlindenbrunnen nach der Renovation von 1901. Man erkennt deutlich die Bemalung der Kuppel sowie der kurze Brunnenstock aus Sandstein, der auf den geschlossenen Sod gestellt worden war. Quelle: Alte Ansichtskarte.

Anlässlich dieser erneuten Restauration bemühten sich die Behörden auch um eine Verschönerung der Umgebung am Eingang zur "Thorsteinen". Im Zuge dieser kleinen Strassenkorrektion mussten die vier Linden gefällt werden, angeblich, weil sie krank gewesen seien. Weil indessen "nur solche Bäume entfernt werden dürfen, welche unzweifelhaft abgestorben sind", bedurfte es eines Beschlusses des Regierungsrates, um "die unschönen Linden zu entfernen und vier junge Linden zu pflanzen". Diese jungen Linden stehen heute noch um den barocken Brunnen herum. Was heute einzig fehlt, ist der Sandstein-Brunnstock sowie die verzierten Brunnröhren. Letztere sind durch einfache Hahnen ersetzt worden. Eine letzte Auffrischung erfuhr der Brunnen 1964: Diskrete Vergoldung an den Kapitellen und an einer Leiste des von ihnen getragenen Gebälks sind an die Stelle des zuvor allzu reichlichen Goldes getreten.

Das ist die Metamorphose, welche im Laufe der Zeit dieses Baudenkmal des 17. Jahrhunderts, glücklicherweise unter Belassung des früheren Charakters, durchgemacht hat. Bereits 1869 war im Verwaltungsbericht darauf aufmerksam gemacht worden, dass dieser bedeutsame Brunnen für die Nachwelt erhalten bleiben soll. Der Brunnen, so wie wir ihn kennen und schätzen, "soll als letzter Vertreter einer Construction wie früher und als historische Erinnerung erhalten bleiben". Vergessen wir nicht, dass der Vierlindenbrunnen eine Weile auch Bahnhofbrunnen war; hier fuhr mit Dampf die Birsigthalbahn ab, ehe ihr Bahnhöflein auf die Heuwaage hinaus verlegt wurde.

 

Quellen:

  • Basler Brunnenführer (2002)
  • Meier 1995: 125
  • Christ 1967: 22
  • Nationalzeitung vom 30.12.1910: "Die Torsteinen - ein Stimmungsbild aus dem alten Basel"