Unteres Kollegium der Universität

Das untere Kollegium am Rheinsprung erscheint auf dem Löffelplan als "Universität".

Das Kollegiengebäude am Rheinsprung war bis 1939 der Hauptsitz der 1460 mit päpstlichem Privileg gegründeten Basler Universität. Auf einer Terrasse des steilen Flussufers errichtet, nimmt das breit gelagerte Gebäude im Basler Rheinpanorama seinen Platz zwischen dem Blauen Haus und der Martinskirche ein. Farblich passt die gelbe Fassade zum Museumsbau in der Augustinergasse und dem Hotel Drei Könige etwas flussabwärts. Die drei Baukörper der Universität, die im Kern noch spätmittelalterlich sind, wurden 1860 durch eine gemeinsame Aufstockung zusammengefasst und erhielten dadurch eine Massenwirkung, die der Bedeutung als öffentlichem Bildungsbau Geltung verschafft. Das flache Dach und und die spätklassizistissche Pilastergliederung des obersten Geschosses verleihen dem Kollegium zusätzlich ein plazzoartiges Gepräge, erinnern durch die gleichmässige, modulhafte Reihung der Fassadenelemente aber auch an Kasernen oder Industriebauten des 19. Jahrhunderts.

Das Grundstück zwischen dem unteren Rheinsprung und der am Ufer stehenden Stadtmauer gehörte einst der Adelsfamilie Schaler, später dem Oberstzunftmeister Jakob Zibol, dem Gründer des Kartäuserklosters. Für die Errichtung der Universität verkaufte die Witwe seines Sohnes den Besitz und die darauf stehenden Gebäude an den Basler Rat. Nach der Eröffnung der Hochschule am 4. April 1460 nahmen die Theologische, Juristische, Medizinische und Philosophische Fakultät ihre Vorlesungen in den zuvor umgebauten Häusern auf. Neben Hörsälen beherbergten die Gebäude auch die Pedellenwohnung sowie eine kleine Aula und vermutlich eine Bibliothek. Noch im 15. oder zu Beginn des 16. Jahrhunderts befanden sich hier auch gemeinschaftliche Wohnräume für Studenten unter dem Vorstand und der Kontrolle eines Bursen-Rektors. Nach der Reformation wurde die Universität verstaatlicht und 1532 neu geordnet wieder eröffnet. Eine räumliche Erweiterung erhielt die Universität 1538 durch die Übergabe des ehemaligen Augustinerklosters, das fortan als Oberes Kollegium bezeichnet wurde und vom Unteren Kollegium am Rheinsprung unterschieden wurde.

Reproduktion des unteren Kollegiums nach einer Lithographie von E. A. Funke. Das alte Universitätsgebäude ist hier noch in der ursprünglichen Dreiteilung. Ansicht zwischen 1853 und 1860.
Bild: © Staatsarchiv Basel-Stadt, AL 45, 9-4-3
Quelle: Staatsarchiv Basel-Stadt

Dem Hauptgebäude vorgelagert war, wie man auf der Stadtansicht Merians 1617 erkennt, ein Gebäude auf der zinnenbwehrten Rheinmauer; dieses wurde 1559 für die Universitätsbibliothek neu eingerichtet. Abgesehen von der Bibliothek beherbergte es im 16. Jahrhundert den Hörsaal für die "Weltweysen" (Philosophen), der 1573 in eine Aula für Doktorprüfungen umgestaltet wurde. Zur Ausstattung des Raumes gehörten vier Skelette, von denen eins vom berühmten Arzt Andreas Vesal 1542 präpariert wurde. Die anderen stammten von Felix Platter. Der 1589 neu geschaffene Lehrstuhl für Anatomie und Botanik erhielt im Erdgeschoss des nördlichen Flügels ein "theatrum anatomicum", in dem die universitätsöffentlichen Leichensektionen stattfinden konnten. Ein botanischer Garten bestand bis 1692 auf einer Terrasse am südlichen Grundstücksende. Nachdem vermehrt Hochwasserschäden entstanden waren, zog die Bibliothek 1671 in das Haus zur Mücke, und das alte Gebäude beim Kollegium wurde 1710 abgerissen.

Christoff Beck beschreibt das Kollegium um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Im oberen Flügel befand sich ein im Winter genutzter, heizbarer Hörsaal der Mediziner, darüber im ersten Obergeschoss das grosse juristische Auditorium und im zweiten Stock ein weiterer medizinischer Hörsaal, der zu dieser Zeit die erwähnten Skelette beherbergte. Der Mittelbau barg im ersten Obergeschoss wohl Vorratsräume, im zweiten einen philosophischen Hörsaal und die Stube der Regenz. Die Theologen lasen im Bischofshof. Im unteren Flügel waren unter dem Anatomischen Theater die Wohnung des Pedells und der Karzer untergebracht.

Zustand des Kollegiums nach dem Umbau durch Stehlin 1860. Bis heute äusserlich kaum verändert.
Bild: © Staatsarchiv Basel-Stadt, AL 45, 9-9-2
Quelle: Staatsarchiv Basel-Stadt

Das Halbgeschoss über dem Mittelbau wurde 1853 ausgebaut, ohne die Firsthöhe zu verändern. Und dies, weil sich die Studentenzahl vergrössert hatten und die Hörsäle überbelegt waren. Das neue Stockwerk erhielt nach Plänen des Bauinspektors Amadeus Merian grosse dreiteilige Fenster und eine Pilastergliederung, die Fenster der unteren Geschosse wurden vereinheitlicht. Merians Entwürfe für einen durchgreifenden Umbau waren durch neugotische Fassaden mit Zwerchgiebeln, Erkertürmchen, Erkertürmchen und Fialenbrüstungen gekenntzeichnet. Zur Ausführung kamen jedoch Pläne des Architekten J.J. Stehlin, der als Gutachter beigezogen worden war. Er sah eine gemeinsame Aufstockung aller drei Gebäudeteile unter einem flachen Satteldach vor und integrierte die Umgestaltung des Mittelteils durch Merian aus dem Jahr 1853. Durch diesen Umbau war die Raumnot der Universitätsinstitute nur für kurze Zeit gemildert. 1876 errichtete man einen Fachwerkanbau vor den Arkaden des Mittelbaus, der 1898 und 1912 noch erweitert und erst 1959 abgebrochen wurde. Nach der Einweihung des Kollegiengebäudes am Petersgraben 1939 stand das alte Untere Kollegium allein dem Theologischen Seminar und der Zoologischen Anstalt zur Verfügung. Einen Umbau und eine Erweiterung durch zum Teil unterirdische Hörsäle erfuhr das Gebäude 1960.

Das flach geneigte Kupferdach nimmt übrigens im Rheinpanorama eine Sonderstellung ein; Stehlin entwarf es mit Rücksicht auf den schräg hinter dem Kollegienhaus stehenden Reichensteinerhof, dessen Barockfassade die Universität überragt. Die Hauptansicht des Unteren Kollegiums ist die Rheinfassade, zum Rheinsprung hin kann das auf Fernsicht berechnete Gebäude kaum Wirkung entfalten. Die Fassade folgt dem zweifach geknickten Strassenverlauf und verliert durch den Anstieg ein Stockwerk. Etwa in der Mitte befindet sich das 1860 neu gestaltete Hauptportal des Gebäudes.

Quelle: Nagel/Möhle 2006